Noch mal zurück in unser Plenum

Dominanz spüren aber nicht benennen können

Vielleicht erinnerst du dich noch an die Geschichte von unserem Plenum, bei dem viele FLINTA* dominantes Verhalten spürten, aber es nicht benennen konnten.
Hier kannst du dir den Artikel noch einmal anschauen.
Inzwischen sind wir fast zwei Jahre weiter und haben viel über dominantes Verhalten gelernt.

Dominantes Moderieren

Rückblickend glauben wir, dass die beiden cis-männlichen Moderatoren sich damals unbewusst als “überlegen” dargestellt haben.
Dies ist etwas, das privilegierten Menschen früh beigebracht wird. Darum stellen sich gerade weiße Cis-Männer oft mit all ihren Titeln und Errungenschaften vor. So auch die beiden Moderatoren. Unter Männern ist das vielleicht auch notwendig. Doch viele Menschen aus unterdrückten Gruppen spüren sofort, dass dadurch Dominanz ausgeübt wird.
Und ein Raum mit Dominanz ist immer ein Raum mit Unterdrückung.
Und das spüren Menschen, die von Unterdrückung betroffen sind meist sehr deutlich. Oft ziehen sie für sich dann den Schluss, dass sie in einem solchen Raum, in einer solchen Gruppe nicht mitarbeiten können oder wollen. Nicht können, weil sie sich dort nicht sicher fühlen und ihre Fähigkeiten in einer solchen Atmosphäre nicht entfalten können.
Nicht wollen, weil sie Unterdrückung einfach nicht mehr hinnehmen wollen. Sich nicht mehr in Räumen aufhalten wollen, in denen Dominanz und Unterdrückung gedultet werden.
Was ihr gutes Recht ist, ihr Menschenrecht.

“sich als überlegen darstellen”

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Lena erzählt über “sich als überlegen darstellen”:

”Ich war mal bei einem Treffen über nachhaltige Finanzwirtschaft.
Ich war als erste dran und habe mich so vorgestellt, wie ich das auch bei anderen Klimagruppentreffen mache.
So was wie:
“Hi ich bin Lena von Parents for Future und freue mich auf den Austausch”.
Ich war übrigens die einzige FLINTA* dort.

Die Cis-Männer, die sich nach mir vorstellten, haben das ganz anders angepackt:
Sie haben all ihre Errungenschaften aufgezählt. Einer (der bestimmt schon 50 war) hat sogar bei seiner Mitarbeit in der Schülerzeitung angefangen. Alle haben sich für ihre Vorstellung jedenfalls sehr viel mehr Zeit genommen als ich.
Mir fiel auf, dass ich in der ersten Hälfte der Veranstaltung und in der Pause von den anderen vollkommen ignoriert wurde. Sie hatten mich wohl als “die Mutter” abgespeichert und hatten kein Interesse, mehr von mir zu wissen. Am Ende der Pause habe ich da bewusst Änderung reingebracht. Wir standen ums Flipboard wo ein paar sich in eine endlose Diskussion verwickelt hatten, die nicht vorwärts kam, weil sie einander nicht wirklich zugehört haben. Einer der zuschauenden Männer meinte, das Gespräch wäre vor der Pause ja nicht sehr fruchtbar gewesen (kein Wunder, wenn alle eine Dreiviertelstunde ihre biografischen Highlights auspacken).

Ich hab mich zwischen die diskutierenden Männer gestellt und gesagt: “
Als Sozialwissenschaftlerin und Systemische Beraterin weiß ich ja, wie wichtig es ist, manchmal auch in tiefere Diskussionen einzusteigen, aber vielleicht ist dies hier nicht der Ort. Wir wollten doch über unser Vorgehen für die nächsten Wochen reden”. Und dann hab ich mir den Stift genommen und beobachtet, wie sie alle brav auf ihre Plätze gingen und mir die Moderation überließen.
Nachher haben sich alle bedankt. Aber ich habe mich darüber nicht gefreut.
In FLINTA*-Netzwerken brauche ich nicht mit meinen Titeln zu winken, um gehört zu werden”.

für Priviligierte wirkt es harmlos, es steckt aber ein System der Unterdrückung dahinter

Dies ist nur eine von hunderten Geschichten über dominantes Verhalten, die wir im letzten Jahr gehört haben. Für sehr privilegierte Menschen, die Unterdrückung nicht selbst erfahren, wirken die Situationen meist harmlos. Na und, da hat sich halt einer mit all seinen Titeln vorgestellt. Aber Menschen aus den unterdrückten Gruppen erkennen nicht nur die Wirkung solchen Verhaltens in der einen Situation. Sondern sehen es im Kontext mit dem gesamten System der Unterdrückung. Sie wissen, dass die gesellschaftlichen Machtverhältnisse durch diese vielen kleinen Situationen entstehen, in denen das dominante Verhalten einer privilegierten Person dazu beiträgt, dass eine unterdrückte Person nicht gesehen oder nicht gehört wird und dadurch auch ihre Bedürfnisse nicht erfüllt, ihre Interessen nicht vertreten werden.

Empört euch!

Deshalb reagieren Menschen aus den unterdrückten Gruppen auch nicht gelassen auf solches Verhalten. Es ist Verhalten, das direkt dazu beiträgt, dass sie in der Gesellschaft benachteiligt und unterdrückt werden und u.a. weniger Einkommen, Möglichkeiten und Teilhabe haben.
Dass sie sich dagegen wehren und dies auch nicht mehr immer mit Geduld und Rücksicht auf unsere Befindlichkeiten tun, ist nicht nur ihr Recht sondern auch wichtig:
Sie fordern schließlich nur ein, was ihnen laut der Erklärung der Menschenrechte selbstverständlich zustehen sollte.
Und wir alle, jede privilegierte Person, sollte sie dabei unterstützen.

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