Uns fehlen die Worte, um Dominanz anzusprechen

Die Worte fehlen uns nicht zufällig. Zur Unterdrückung gehört auch, dass die Erfahrungen der Unterdrückten ignoriert werden. Dadurch entwickelt die Gesellschaft auch keine Sprache für diese Begriffe. Dies wird “hermeneutische Ungleichheit” genannt, Ungleichheit durch Sprache.

Worte helfen, uns über Erfahrungen auszutauschen

Am Beispiel “Mansplaining”  ist gut zu sehen, wie wichtig Begriffe sind.
Bevor es den Begriff  “Mansplaining” gab, gab es auch schon Männer, die Flinta* etwas auf herablassende und selbstüberschätzende Weise erklärten. Vielen Flinta* war auch schon bewusst, dass dieses Verhalten dominant ist. Dann kam zum Beispiel eine FLINTA* Person aus einem Meeting und erzählte einer anderen: „Martin hat mir wieder lauter Zeugs erklärt, dass ich längst wusste“.  Und es kann gut sein, dass die andere sofort verstand, was sie meinte. Aber die Situation wirkte für beide nicht wie „echter“ Sexismus. Weil es eben keinen Begriff für dieses Verhalten gab.

Wahrscheinlich hätten diese beiden FLINTA* das Verhalten auch nicht angesprochen. Weil sie damit rechnen mussten, dass die Männer im Team das lächerlich finden würden. Und sagen: „Warum regst du dich darüber auf, ist doch gut, wenn Martin dir was erklärt. Das ist doch nett gemeint“.

Es sind keine Einzelfälle sondern ein Dominanz-Mechanismus

Erst als Rebecca Solnit ihren Aufsatz Men explain things to me veröffentlichte und daraufhin der Begriff „Mansplaining“ auftauchte, fingen FLINTA* an, ihre massenweisen Erfahrungen mit erklärenden Männern zu beschreiben.
In der Folge entstand in der Gesellschaft das Bewusstsein dafür, dass dies nicht lauter Einzelfälle von wohlmeinenden erklärenden Männern sind. Sondern dominantes Verhalten, mit dem FLINTA* klein gehalten werden. 
Bevor es den Begriff „Mansplaining“ gab, lief eine FLINTA*, die sich über das „besserwisserische Erklären“ beschwerte, immer Gefahr, dann lächerlich gemacht zu werden oder gesagt zu bekommen, dass sie übertreibe oder auf Krawall gebürstet sei. 


Oft habe ich so ein Bauchgefühl - dominanz.jpg

Die Theorie der Stummgeschalteten Gruppen
(Muted Group Theory)

Die Kommunikationswissenschaftler*in Cheris Kramerae ist der Auffassung, dass die Sprache einer bestimmten Gesellschaft nicht allen Mitgliedern der Gesellschaft gleich gut dient. Denn nicht alle haben gleichen Einfluss auf die Entwicklung von Sprache. 

Die  privilegierten Gruppen haben mehr Einfluss darauf, welche Wörter entstehen und was wie genannt wird. Wie zum Beispiel  unsere Bundesregierung immer noch nur von “Bürgern” spricht und erwartet, dass sich FLINTA* dabei “mitgemeint” fühlen.
Sie haben auch mehr Einfluss darauf, welche Sprache verbreitet wird. Weil sie zum Beispiel in den Medien oder dem Bildungssystem mehr Macht haben.
Die Sprache, die Menschen aus den unterdrückten Gruppen verwenden und entwickeln, kommt dadurch nicht in die Öffentlichkeit. Sondern bleibt in den Nischen versteckt und wird nicht durch die ganze Gesellschaft verbreitet. 





Wortschatz der Unterdrückten wird oft nicht anerkannt

Ihr Wortschatz  und ihre Ausdrucksweise werden  von den privilegierten Menschen oft nicht anerkannt. Und häufig sogar lächerlich gemacht.#
Wenn sie gehört werden wollen, müssen sich die Unterdrückten in der Sprache der Privilegierten ausdrücken. Sie müssen also dauernd die eigene Erfahrung in die Sprache der Privilegierten übersetzen. Dies ist nicht nur anstrengend. Dabei geht oft auch ein Teil des Inhalts verloren. Und Unterdrückte fühlen sich dadurch oft weniger sicher, in dem was sie sagen. Es ist ein wenig als ob sie in einer Fremdsprache reden. 





Dass uns oft die Worte fehlen, ist nicht der einzige Grund, warum dominantes Verhalten oft nicht angesprochen wird. Viele Menschen aus den unterdrückten Gruppen haben schlechte Erfahrungen damit gemacht. Denn wer Dominanz anspricht, wird selten gehört und ernst genommen. Viel öfter entstehen Situationen, die für die unterdrückte Person eine zusätzliche Belastung sind und ihr das Gefühl geben, dass es nichts bringt, Dominanz anzusprechen.  Das Problem ist, dass privilegierte Menschen oft einfach viel zu wenig über Unterdrückung wissen. 

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