Was ist Dominanz und warum ist sie ein Problem?


Dominantes Verhalten nennen wir Verhaltensweisen, die privilegierten Menschen in unserem System schon in frühem Alter anerzogen werden.
Mit diesen Verhaltensweisen tragen wir unbewusst und unabsichtlich dazu bei, dass Menschen aus den nicht-privilegierten Gruppen an der Teilhabe gehindert werden.
Da die meisten von uns auf ein oder mehr Arten privilegiert sind (allein schon, weil wir im Globalen Norden leben), haben auch die meisten von uns solche Verhaltensweisen gelernt.









Wie kann ich dominantes Verhalten haben,
wenn mich für Gerechtigkeit einsetze?

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Ein Beispiel ( inspiriert durch die wunderbare Aktivistin und Poetin Sonya Renee Taylor):
Du gehst zu einem Treffen eurer lokalen Klimainitiativen. Weil du schon ein bisschen spät bist, rennst du schnell die Treppe in den ersten Stock hoch und lässt dich auf einen der letzten Stühle fallen. Das Treffen ist prima und du gehst zufrieden nach Hause.

Es kann gut sein, dass dir den ganzen Abend über nicht aufgefallen ist, dass Rollifahrer*innen nicht an dem Treffen teilnehmen konnten. Weil du durch deine Perspektive als nichtbehinderte Person eine Treppe kaum wahrgenommen hast.
Das hat nichts damit zu tun, dass du ein schlechter Mensch wärst. Sondern damit, dass unsere Gesellschaft so behindertenfeindlich (ableistisch), dass wir als Nichtbehinderte nicht lernen, die Bedürfnisse von Behinderten im Blick zu haben.

Auch wenn wir es nicht absichtlich machen, ist das Ignorieren von Menschen mit Behinderung und von ihren Bedürfnissen schädlich: Es führt dazu, dass die gesellschaftlichen Ungleichheiten bestehen bleiben und behinderte Menschen an der Teilhabe gehindert werden.

Andere Beispiele für dominantes Verhalten sind zum Beispiel:

  • mehr Redezeit einnehmen, wodurch die Perspektive von privilegierten Menschen mehr Raum bekommt und mehr gehört wird,

  • sich nicht mit den eigenen Privilegien beschäftigen,

  • das Meeting in einem Café stattfinden lassen und nicht daran denken, dass arme Menschen dadurch ausgeschlossen werden,

  • sich nicht über Unterdrückung bilden und sie dadurch auch nicht erkennen,

  • die People of Color in der Bewegung nur dann nach ihrer Meinung fragen, wenn es um Rassismus geht,

  • keine Care-Arbeit übernehmen und sie den FLINTA*-Personen überlassen.
    Wodurch diese erschöpft werden und weniger an Prozessen teilnehmen können,
    die sie interessieren oder in denen Entscheidungen getroffen werden.


Unbewusst dominant

Weil wir als Privilegierte diese Verhaltensweisen und Denkmuster so früh gelernt haben, ist uns meistens nicht bewusst, dass wir mit diesem Verhalten andere klein halten.
Werden wir auf das dominante Verhalten angesprochen, kann es sein, dass wir uns schuldig fühlen und persönlich angegriffen. Wir sehen uns als soziale Menschen und können uns gar nicht vorstellen, dass wir uns dominant verhalten.
Es ist wichtig, dass wir dominantes Verhalten aus der persönlichen Ebene wegholen und sehen, dass es mit den Strukturen in der Gesellschaft zu tun hat. Wir leben in einer Gesellschaft, die auf vielen Arten der Unterdrückung basiert. Und die von vielen diskriminierenden Ideologien durchdrungen ist. Diese Ideologien beeinflussen unsere Kultur seit vielen Jahrhunderten und sind überall in der Gesellschaft zu finden: In den Schulbüchern und Lehrplänen, in Fernsehsendungen und Zeitungsberichten und in der Art wie die Gesellschaft oder bestimmte Gruppen dort dargestellt werden. Wir nehmen sie unbewusst auf. Genau wie wir dominantes Verhalten unbewusst lernen. Zum Beispiel, weil wir es uns von Eltern oder Lehrer:innen abschauen.


Rechtfertigungs-Reflex

Wenn dir jemand sagt, dass dein Verhalten dominant war, sucht dein Gehirn vielleicht schnell nach Rechtfertigungs-Gedanken. Weil du dich schämst, schuldig fühlst oder es nicht mit deinem Selbstbild vereinbar ist, dominant zu sein:
”Ich kann gar nicht sexistisch sein, ich habe doch x Bücher über Sexismus gelesen”
”Ich fühle mich nicht wie ein Mann, bin doch Feminist … ”.
“Ich kann nicht rassistisch sein, meine beste Freundin ist PoC” (Begriff in diesem Artikel genauer erklärt).
”Ich kann nicht ableistisch sein, meine Mutter sitzt im Rollstuhl”.

Doch, das geht. Wir können uns trotzdem und ganz unabsichtlich dominant verhalten. Denn über Diskriminierung und Unterdrückung zu lesen oder sie zu beobachten ist einfach nicht das gleiche wie sie selbst zu erfahren. Bei “Privilegierte wissen oft einfach zu wenig über Unterdrückung” erklären wir genauer, warum das so ist. Lasst uns erst mal die Folgen von dominantem Verhalten anschauen.


Folgen von dominantem Verhalten:

Mit dominantem Verhalten sorgen privilegierte Menschen unbewusst dafür, dass Menschen aus den unterdrückten Gruppen an der Teilhabe gehindert werden und ihre Erfahrungen nicht gehört werden. Und so die sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten in der Gesellschaft bestehen bleiben.

In Gruppen führt dominantes Verhalten dazu, dass Menschen aus den unterdrückten Gruppen sich nicht sicher fühlen, nicht gehört werden und sich nicht auf die Weise einbringen können, die ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten entspricht. Und darum oft nach einiger Zeit frustriert wieder aus der Gruppe oder Bewegung verschwinden.
Damit das nicht länger so ist, wollen wir uns mit dominantem Verhalten beschäftigen. Um es zu erkennen, uns darüber auszutauschen und es uns abzugewöhnen.


Weiter in der Ausstellung zu:

Was ist Unterdrückung?

Inhaltsverzeichnis der Online-Ausstellung über Dominanz